Interview im Magazin Facts
Die US-Sängerin Pink über ihre Sexualität, Todesangst und Trinken bis zur Bewusstlosigkeit.
Interview: Ben Mitchell
FACTS: Pink, was hat man zu erwarten, wenn man Sie trifft?
Pink: Man erwartet ein Monster. Ich weiss von Leuten, die Angst hatten, mich zu interviewen. Sie sagten zu mir: Ich dachte, du reisst mir den Kopf ab!
FACTS: Sie haben offensichtlich ein starkes Image.
Pink: Vielleicht, ich weiss nur nicht, welches. Das harte Partygirl? Die Zicke?
FACTS: Auf mich wirken Sie jetzt gerade wie ein normales Mädchen.
Pink: Wie bitte, normal? So hat mich wirklich noch nie, nie jemand bezeichnet. Was sind Sie denn für einer?
FACTS: Das war eigentlich als Kompliment gedacht.
Pink: Ich bin sehr nett. Ich kann zum Monster werden, wenn ich mich verteidigen muss, aber die meiste Zeit bin ich wie ein junger Hund. Nur will davon niemand hören.
FACTS: Die Leute wollen stattdessen Neuigkeiten aus Ihrem Liebesleben hören. Gerade haben Sie sich vom Motocross-Fahrer Carey Hart getrennt.
Pink: Wir sind immer noch gute Freunde. Eines Tages will ich von ihm ein paar Kinder, doch für diesen Tag bin ich noch nicht bereit. Ich will mich noch ein paarmal verlieben, ein junges Mädchen sein.
FACTS: Erstaunt es Sie, dass die Boulevardpresse sich für Ihr Liebesleben interessiert?
Pink: Bis vor ein paar Monaten fiel es mir gar nicht auf. Ich gehe mit Jungs aus, seit ich 15 bin. Jetzt reden alle über Pink und Tommy, Pink und Kristanna – ein Riesendrama.
FACTS: Mit Tommy meinen Sie den Hardrocker Tommy Lee, mit dem Sie gern ausgehen. Und mit Kristanna meinen Sie Kristanna Loken, die Hollywood-Schauspielerin, die Sie öffentlich küssten. Was lief mit Tommy Lee?
Pink: Wir sind gute Freunde. Er ist ein Witzbold mit schlechtem Ruf.
FACTS: Wie Sie?
Pink: Tommy ist grossartig. Wir trafen uns auf einer Party und verstanden uns sofort. Mit ihm auszugehen macht Spass. Er lässt sich nicht verbiegen.
FACTS: Und was passierte mit Kristanna Loken?
Pink: Es passierte das, was man auf den Pressebildern sah.
FACTS: Man sieht, wie Sie Loken anmachen. Kannten Sie die Schauspielerin vorher?
Pink: In dieser Nacht lernte ich sie kennen. Wir tanzten, dann küsste sie mich. Sie versuchte, mich zu dominieren.
FACTS: Und wie kam das bei Ihnen an?
Pink: Ich lasse mich nicht dominieren.
FACTS: Schon vor diesem Foto galten Sie als Lesben-Ikone. Ihre Erklärung?
Pink: Keine Ahnung. Ich schätze, weil ich so hart bin. Ich habe viele homosexuelle Freunde, fast alle meine Freundinnen sind es. Das stört mich überhaupt nicht. Als ich berühmt wurde, fragten sich alle: Ist sie weiss, schwarz, Mischling, Latina?
FACTS: Und, was sind Sie?
Pink: Ich bin irisch-deutsch-litauisch-jüdisch.
FACTS: Hätte ich auch gerade getippt.
Pink: Genau. Jetzt fragen sich alle: Ist sie homo-, hetero-, bi- oder sogar trisexuell, was zum Teufel ist sie?
FACTS: Wäre es für Sie leichter, eine Beziehung mit einer Frau zu haben?
Pink: Fuck, nein! Frauen müssen immer alles ausdiskutieren. Wäre ich mit einer Frau zusammen, hätte ich die Rolle des Kerls. Ich würde hin und wieder sagen: Komm, halts Maul.
FACTS: Wie kamen Sie eigentlich zu Ihrem Übernamen?
Pink: Als ich achtjährig war, zog ein Kumpel meine Hose herunter. Ich wurde knallrot, denn ich trug keine Unterhose. Als wir Jahre später «Reservoir Dogs» schauten, erinnerten sich meine Freunde an die Geschichte, denn in diesem Film kommt ja ein Mister Pink vor. Seither nennt mich jeder Pink. Inzwischen habe ich mich längst an den Namen gewöhnt. Ich mag es gar nicht, wenn mich Fremde Alecia nennen.
FACTS: So heissen Sie nun mal.
Pink: Schon, aber ich bin Pink, seit ich 15 bin.
FACTS: Warum warf Ihre Mutter Sie aus dem Haus?
Pink: Sie konnte mich nicht kontrollieren, und ich wollte nicht kontrolliert werden. Wir hatten wirklich eine schreckliche Beziehung.
FACTS: Wann begannen Sie, alles Mist zu finden, was Ihre Mutter Ihnen sagte?
Pink: Als ich neun war. Ich habe früh angefangen, deshalb bin ich jetzt so reif.
FACTS: Waren Sie schwer erziehbar?
Pink: Mit 14 musste ich zu einer Therapeutin. Ich erzählte der Frau viel verrückten Scheiss – nur damit ich von daheim wegkonnte. Ich sagte zum Beispiel, dass ich gerne eine Flasche zerschlagen würde und damit die Kehle meiner Lehrer aufschlitzen wolle. Ich musste nicht mehr nach Hause zurück, von da an übernachtete ich bei Freunden. Eines Nachts, nach einer Party, richtete einer seine Knarre auf mich. Ich hatte kein Geld und war total verladen. Ich nahm den Typen einfach nicht ernst. Ich sagte ihm, er habe schlechten Atem.
FACTS: Und, was geschah?
Pink: Er begann zu lachen. Er sagte, ich sei total verrückt, so etwas in dieser Art.
FACTS: Warum sind Sie nicht an Drogen und Alkohol zu Grunde gegangen?
Pink: Weil ich mit 16 in Philadelphia vorsingen konnte. Ich sang zuerst bei der Frauenband Basic Instinct, dann beim R&B-Trio Choice. Als sich Choice auflösten, bekam ich einen eigenen Plattenvertrag.
FACTS: Und jetzt? Wie fühlen Sie sich? Sie haben ja nicht wirklich ein Privatleben, oder?
Pink: Nein, überhaupt nicht. Ich weiss nicht, was die Leute denken. Ich könnte von tausend Leuten umgeben sein und würde mich immer noch einsam fühlen. So ist die Natur des Menschen. Ich sage nicht, dass es so immer schlecht ist, ich kann darüber schreiben. Fuck, ich liebe es, mich schlecht zu fühlen!
FACTS: Wann haben Sie sich letztmals bis zur Bewusstlosigkeit betrunken?
Pink: Das ist schon eine Weile her. Ich erbreche nicht gern. Ich warte, bis es aufhört zu drehen, dann gehe ich ins Bett.
FACTS: Geht es in Ihrem Hit «Get the Party Started» um die Droge Ecstasy?
Pink: Das Lied stammt nicht von mir, sondern von meiner Songwriter-Kollegin Linda Perry.
FACTS: Nehmen Sie keine Drogen mehr?
Pink: Ich bin seit 1995 sauber. Gras zähle ich nicht dazu, obwohl ich es kaum noch rauche. Ich wurde paranoid; immer, wenn ich es rauchte, bekam ich Herzrasen. Crack und Heroin nahm ich nie. Einige meiner Freunde gingen in diese Richtung, und sie kamen nicht mehr zurück.
FACTS: Hatten Sie je Todesangst?
Pink: Ja. An Thanksgiving 1995. Ich lag mit einer Überdosis auf dem Boden eines Klubs.
FACTS: Was für eine Überdosis war das?
Pink: Wollen Sie das wirklich wissen? Ein Gemisch aus Ketamin, Ecstasy und Kokain. Dazu hatte ich viel Gras geraucht und eine Flasche Malt Liquor getrunken. Ich nahm alles auf einmal.
FACTS: Wie fühlten Sie sich, als Sie zu Bewusstsein kamen?
Pink: Man sagte mir, meine Lippen seien blau gewesen, aber so genau weiss ich das nicht, meine Kollegen waren auch alle hinüber. Die Leute zerreissen sich das Maul über mich, sie glauben, ich sei tollwütig, verrückt. Dabei bin ich zahm verglichen mit früher.
FACTS: Was hat der Erfolg Ihnen gegeben?
Pink: Beschäftigung. Die Genugtuung, dass ich mich und das, was ich tue, respektieren kann. Ich treffe coole Leute und bekomme wirklich berührende Briefe.
FACTS: Von wem denn so?
Pink: Vor allem von jungen, sich quälenden Mädchen, die jemanden zum Reden brauchen. Herzerweichendes Zeugs der Sorte: «Meine Mutter ist gerade gestorben, mein Grossvater hat sie immer vergewaltigt. Jetzt vergewaltigt er mich, aber wegen deiner Platte und weil du es geschafft hast, bringe ich mich nicht um.»
FACTS: An wen würden Sie sich wenden mit einem ernsthaften Problem?
Pink: Ich habe fünf oder sechs grossartige Freunde. Ich kann mich jetzt wieder an meine Mutter wenden, obwohl ich wahrscheinlich bei Problemen meinen Vater anrufen würde. Ich fragte ihn kürzlich, Dad, wie kommst du mit all dem Scheiss klar, wie wird man glücklich? Er sagte: Honey, nicht das Ziel, der Weg ist entscheidend.
FACTS: Sie sagten, Sie wollten sich neu verlieben.
Pink: Ich mag einfach die Schmetterlinge im Bauch, das Gefühl des Neuen.
FACTS: Gehen Sie gleich beim ersten Date aufs Ganze?
Pink: Nein. Ich machte das früher ein paarmal, und immer war es enttäuschend. Man muss herausfinden, was der andere mag. Sex macht nur Spass, wenn man einander kennt, offen sein kann.
FACTS: Wohin gehen Sie, wenn Sie ausgehen?
Pink: In den Schiessstand, in einen Film, in ein Restaurant, in einen Klub. Gerne bleibe ich auch zu Hause und guck mir einen Film an, aber nicht mit einem Date, das wäre nicht gut.
FACTS: Sind Sie eine gute Schützin?
Pink: Ich habe im Schiessstand auf Saddam gezielt und sein verdammtes Auge ausgeschossen.
FACTS: Was würden Sie an sich ändern?
Pink: Weniger lachen. Wenn ich mich am Radio höre, höre ich nur Gekicher, das geht mir auf die Nerven.
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